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30.06.2022

Neues EA-Bewusstsein: Brücke und Umsetzer für Business-Strategien in der digitalen Welt

Je größer die anstehenden Veränderungen in den Unternehmen, desto stärker setzen diese auf EAM. Die Einsicht unter IT- und Businessverantwortlichen wächst, dass die Enterprise Architecture mit ihrem Methoden-, Architektur- und Technologie-Know-how einerseits und mit ihrem Prozess- und Businessverständnis andererseits ideal positioniert ist, um den nötigen digitalen Change aktiv zu begleiten und zu strukturieren. Zwei Mitglieder des Cross-Business-Architecture Lab zeigen beispielhaft die Veränderungen in der EAM-Herangehensweise auf.

Ein Unternehmen müsste agieren können wie ein großer Vogelschwarm, der auf plötzlich auftauchende Hindernisse und Gefahren mit schnellen Richtungswechseln in perfektem Formationsflug reagiert. Dabei geht der ursprünglich eingeschlagene Kurs nicht verloren. Moderne Enterprise Architecture kann auch komplexen Organisationen zu dieser im digitalen Zeitalter so nötigen Agilität und Flexibilität verhelfen. Diese treffende Beschreibung stammt von Gordon Cooper, Director of Services and Customer Success von MEGA North America.

In der Realität arbeiten die Unternehmen hart an diesem Zielbild, sind aber unterschiedlich nah dran. In Sachen „neues EA-Bewusstsein“ haben sich auf dem Weg zu solchem „Schwarmverhalten“ in den letzten Jahren – vorangetrieben durch die Anforderungen der Digitalisierung und zum Teil auch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie – mehrere Erkenntnisse durchgesetzt, die von Beratern, Anwendern, der Gartner Group und auch dem CBA Lab formuliert wurden. Ihnen gemein ist, dass sie sehr gut ein Bild beschreiben, das die Mitglieder des CBA Lab heute im „neuen EA-Bewusstsein“ sehen:

  • Business Outcome statt Prozessoptimierung – Die Erkenntnis der EA, dass sie nur dann wirken kann, wenn sie einen direkten Beitrag zum Erreichen der Geschäftsziele liefert. Das heißt u. a., sie muss auch Kriterien entwickeln, die diesen Beitrag messen können. Und sie muss sich mit Business Assets genau so intensiv beschäftigen wie mit IT-Assets.
  • Konzentration auf Gesamtunternehmen statt auf IT – Enterprise Architecture als Unternehmens- und nicht als IT-Funktion ist bereits eine alte Forderung (eigentlich bereits, seit es Enterprise Architecture gibt). Allerdings wird sie erst in jüngerer Vergangenheit außerhalb der EA-Community ernst genommen. Die Unternehmensführungen haben inzwischen erkannt, dass die digitalisierungsbedingten, teilweise radikalen Veränderungen nur realisiert werden können, wenn eine Konversionsschicht Brücken baut, um Geschäftsstrategie und Technologie miteinander zu verbinden. Diese Zwischenebene ist die Enterprise Architecture.
  • Beratung statt Kontrolle – Die schnelle Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Prozesse hat es nötig gemacht, dass Enterprise-Architekten deutlich früher in die Veränderungsprozesse involviert sind, in agilen Umgebungen teilweise sogar als Mitglieder von Entwicklungs- und Projektteams. Schon beim Entstehen von Piloten und Minimal Viable Products beeinflussen sie Architekturentscheidungen.
  • Leitplanken statt Command and Control – Durch die Vielzahl paralleler Entwicklungen wäre die Architektur ein klarer Flaschenhals, wenn sie jedes Projekt mit detaillierten Vorgaben versehen würde. Heute werden deshalb Leitplanken installiert, die die Richtung vorgeben, aber die Einzelentscheidung innerhalb der vorgegebenen Rahmen den Teams überlassen.
  • Architekturskizze statt festgefügtem Plan – Auch dieser Paradigmenwechsel ist der Veränderungsgeschwindigkeit der VUCA-Welt geschuldet. Pläne werden schnell zu Makulatur und sind schwieriger anzupassen, als neue Skizzen anzufertigen.
  • Konzentration auf Future State statt auf As-it-is State – Die Enterprise Architecture hat erkannt, dass sie von der Führungsebene (in Geschäft und IT) am besten akzeptiert wird, wenn sie sich mehr auf Veränderungsgestaltung und Begleitung konzentriert als auf die Beschreibung des Status Quo. Selbstverständlich ist letzterer wichtig, um sich weiterzuentwickeln, aber seine Erfassung ist eher eine Wegmarke als ein Ziel.
  • Menschen- statt system-fokussiert – Diese Perspektive ist im Cross-Business-Architecture Lab 2021 erarbeitet worden. Sie besagt, dass sich Enterprise Architecture in Unternehmen viel leichter verankern lässt und die Leitplanken der EA viel schneller akzeptiert werden, wenn die Entscheidungsträger in IT und Business in die Architekturentwicklung involviert sind und für die Architektur in ihren Bereichen Verantwortung übernehmen. Damit bekommen Communities eine Rolle zur Umsetzung der Enterprise-Architektur.

Die Unternehmen, die im Cross-Business-Architecture Lab organisiert sind, arbeiten gemeinsam und fokussiert daran, EA in einem neuen Bewusstsein wie oben beschrieben auszuprägen und in ihren Unternehmen zur Wirkung zu bringen – und zwar so, wie es zum einzelnen Unternehmen am besten passt. Die beiden Beispiele: Dr. Oetker und Beiersdorf.

Dr. Oetkers Enterprise Architecture soll dezentral arbeiten

Die Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG als Unternehmen mit mehr als 40 Landesgesellschaften, einer zentralen IT-Organisation, einem Digitaldienstleister in Berlin und einem partnerschaftlich verbundenen Rechenzentrumsbetreiber setzt seit 2018 verstärkt auf EAM. Ursprünglich von der IT initiiert und von der Geschäftsführung unterstützt, um Transparenz in die IT-Anwendungslandschaften zu bringen und sie zu harmonisieren, ist das Architekturdenken im Konzern mittlerweile umfassender geworden. Die Transparenz ist inzwischen durch ein zentrales Repository, das mit dem BPM-Tool verknüpft ist, weitgehend vorhanden. Doch nun will das Enterprise Architecture Team mehr erreichen. Es geht ihm auf der einen Seite um Planung und Governance, aber auf der anderen Seite auch um ein möglichst gutes Zusammenspiel zwischen Business und IT, das letztlich dabei helfen soll, die zum Teil widersprüchlichen Interessen zwischen lokalen Einheiten und Gesamtunternehmen auszugleichen.

Virtuelle EAM-Teams für die siloübergreifenden Domänen

Ein Meilenstein auf diesem Weg war die fast zeitgleiche Etablierung der sogenannten internationalen Business-Hauptabteilungen, die entlang der Funktionen Produktion, Marketing, Procurement, HR etc. gebildet wurden. An diesen Hauptabteilungen orientierte sich auch die zentrale EA und schuf für jede dieser Domänen ein eigenes virtuelles Business Architecture Team, in dem verschiedene Rollen abgedeckt sind, unter anderem die des IT-Architekten und die des Business-Architekten, der eine aus der IT, der andere aus dem Business.

Obwohl immer eine gewisse Widersprüchlichkeit herrscht zwischen den lokalen Optimierungswünschen und der globalen Governance haben die Business Architecture Teams in den Domänen geholfen, diese abzumildern. „Wir stärken den Community-Gedanken auch durch vierteljährliche Treffen aller Business Architecture Teams und dem Enterprise Architecture Team sowie bilaterale Treffen zwischen dem zentralen EAM-Team und dem einer Domäne“, erklärt Sylvia Lakämper, Enterprise Architecture Manager bei Dr. Oetker.

Langfristig strebt das zentrale EAM-Team ehrgeizige Ziele an: „Wir möchten das enge Alignment zwischen IT und Business erreichen“, erklärt Dr. Marco Carolla, Strategic Lead Enterprise Architecture bei Dr. Oetker.

Allerdings ist bis dahin noch ein ziemliches Wegstück zurückzulegen. Bisher ist es gelungen, cross-funktionale Teams zu etablieren, die immer besser zusammenarbeiten. Der As-Is-Stand der Architektur ist gut dokumentiert und wird trotz der verschiedenen großen Stakeholder auf dem Laufenden gehalten. Auch zum Prozessmanagement gibt es eine enge Schnittstelle. Hier ist es dank einer Business-Capability Map bereits früh gelungen, Architecture und Prozesse miteinander zu verbinden.

Neun EAM-Capabilities sollen verbessert werden

Ob dieser guten Anfangserfolge hat EAM in der Dr. Oetker-Geschäftsführung ein gutes Standing und genügend Zeit bekommen, die bis Ende 2023 mit konkreten Projekten bestückte EAM-Roadmap abzuarbeiten, mit der insgesamt neun kritische EAM-Fähigkeiten und damit der gesamte EAM-Reifegrad verbessert werden sollen. Darunter Capabilities wie Architecture Planning, -Alignment, -Framework, -Governance und -Architecture Value. Zu den Planungen zählen Projekte wie eine noch bessere Prozessintegration, zum Beispiel in den Demand-Prozess, das Etablieren einer konzernweiten EAM Governance, eine Ausweitung der Architekturrollen innerhalb und außerhalb der IT, die Definition von EA-Services, eine EAM-Awareness-Kampagne sowie die Entwicklung von KPIs, um EAM zu messen und kontinuierlich zu verbessern.

Die Arbeit wird sicher über die bis Ende 2023 reichenden Projekte hinausgehen. Dabei wird das EAM-Team in der Bielefelder Zentrale der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG weder seine großen Ziele aus den Augen verlieren, noch vergessen, darüber nachzudenken, welche Wechselwirkungen zwischen Unternehmensorganisation und Enterprise Architecture bestehen.

Unser EA-Service-Portfolio haben wir anhand eines Service Canvas entwickelt, wobei neben den Aktivitäten auch klare Metriken zur Wert- und Erfolgsmessung im Einklang mit der übergeordneten IT-Strategie unsere Reise bestimmen.
Melanie Czink, Beiersdorf

Beiersdorf: EAM als Bindeglied zwischen IT und Business

Auch bei Beiersdorf ist die Enterprise Architecture im Aufbruch. Die Funktion existiert dort seit 2010, war jedoch bis zum letzten Jahr weniger mit strategischen Aufgaben betraut, sondern in erster Linie mit Software-Evaluation. Zwar wurde auch darauf geschaut, dass die Software zum Unternehmen passt, es wurde aber wenig bereichsübergreifend gearbeitet und orchestriert. „Wir hatten wenige strategische Synergien in der IT und einen relativ geringen Beitrag von EAM im digitalen Transformationsprozess“, erklärt Melanie Czink, seit Januar 2021 Head of Enterprise Architecture. Das begann sich sehr schnell zu ändern als Dr. Annette Hamann im Mai 2020 die Position der Geschäftsführerin Beiersdorf Shared Services IT und CIO bei Beiersdorf übernahm. Sie positionierte das Thema EAM ganz im neuen EAM-Bewusstsein deutlich strategischer und betrachtet es als Bindeglied zwischen IT und Business.

Das Ziel steht fest: Die EA-Organisation wird daran gemessen, welchen direkten Wertbeitrag sie zur Digitalen Transformation des Unternehmens liefert.

EA-Servicekatalog als Herzstück

Zur Erreichung des notwendigen strategischen Reifegrads hat das EAM-Team bei Beiersdorf diesen Servicekatalog etabliert. Er ist das Herzstück der EAM-Roadmap. „Unser EA-Service-Portfolio haben wir anhand eines Service Canvas entwickelt, wobei neben den Aktivitäten auch klare Metriken zur Wert- und Erfolgsmessung im Einklang mit der übergeordneten IT-Strategie unsere Reise bestimmen.“, erläutert die Enterprise-Architektin. Dabei wird unterschieden in Foundation-, Orchestration- und Strategic Services. Der Servicekatalog soll die praktische Anwendbarkeit von EAM unterstreichen und jedem zeigen, in welchen Bereichen EAM konkret unterstützen kann.

„Enterprise-Architektur wird sich dahin entwickeln, dass wir mit unserem Portfolio eine solide und nachhaltige Basis einer High Performing IT legen. Unser Fokus liegt darauf, dass wir einen nachweisbaren Wertbeitrag liefern und die Digitale Transformation von Beiersdorf vorantreiben.“, erläutert Czink.