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12.03.2021

Eine zukunftsgerichtete Digitalarchitektur als unterstützende Erfolgsgrundlage für die digitale Schule

Dieser Artikel ist HIER auch als PDF verfügbar. 

Die Corona-Pandemie hat das Thema Digitalisierung und Schule verstärkt ins Blickfeld der öffentlichen Diskussion gerückt. Es ist schnell offenkundig geworden, dass die Schulen im Zuge der einzelnen Shutdowns ohne Digitalisierung eine ihrer Kernaufgaben, die Wissensvermittlung, nicht mehr wahrnehmen konnten. Nicht nur für die direkt betroffenen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern, sondern auch für die breite Öffentlichkeit sind der Handlungsbedarf und Handlungsdruck in punkto Digitalisierung in Schulen mehr als offensichtlich geworden. Es zeigt sich, dass die Chancen der Digitalisierung, wie ortsunabhängiges gemeinsames Lernen oder die Vermittlung von Digitalisierungskompetenzen, in einigen Schulen bereits zu einem hohen Grad genutzt, die mit ihr einhergehenden Mehrwerte für die Schule allerdings von vielen nur wenig ausgeschöpft werden. Die digitale Nutzungslandschaft gestaltet sich sehr heterogen, da das Thema Digitalisierung weder flächendeckend von den Schulen und den verantwortlichen Behörden noch gemeinsam angegangen wird.

Position der Kultusministerkonferenz (KMK 2017) zur „Bildung in der digitalen Welt”

Dass das Problem erkannt ist, zeigt die KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“1. In ihr werden „folgende Handlungsfelder zugrunde gelegt, die funktional miteinander zu verknüpfen sind:

  • Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklungen,
  • Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden,
  • Infrastruktur und Ausstattung,
  • Bildungsmedien, Content,
  • E-Government, Schulverwaltungsprogramme, Bildungs- und Campusmanagementsysteme,
  • rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen“ (KMK 2017, S. 9).

Gesamtgesellschaftlicher Bezug

Die KMK ist sich bewusst, dass die Weiterentwicklung des Bildungsauftrags in der digitalen Welt mit Hochdruck und nachhaltig gestaltet werden muss. Dies kann aus ihrer Sicht „nur gesamtgesellschaftlich mit Unterstützung möglichst aller relevanten Kräfte gelingen“ (KMK 2017, S. 10). Verbände, wie das „Cross-Business-Architecture Lab e. V.” (CBA Lab), die sich als Fachverband intensiv mit dem Thema digitale Transformationen in Organisationen auseinandersetzen, sind somit herausgefordert, sich mit ihren Erfahrungen und Erkenntnissen bei der Weiterentwicklung des Bildungsauftrags in der digitalen Welt einzubringen.

Einbindung gesellschaftlicher Akteure unter dem Primat des Pädagogischen

Da Bildung in der digitalen Welt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist, ist ein effektives und koordiniertes Handeln aller Akteure in diesem Themenfeld erforderlich. Die KMK ist sich darüber im Klaren, dass der Auftrag der Bildung in der digitalen Welt sich nur umsetzen lässt, wenn jetzt relevante Weichenstellungen vorgenommen werden und zwar „pädagogisch, didaktisch und technisch-infrastrukturell“ (KMK 2017, S. 59). Gerade bei den ausdrücklich von der KMK hervorgehobenen technisch-infrastrukturellen Weichenstellungen sind gesellschaftliche Akteure gefragt, sich mit ihren Kompetenzen und ihrer Expertise einzubringen. Anliegen des CBA Lab ist es in diesem Zusammenhang, mit Hilfe einer in Organisationen bewährten Methode aufzuzeigen, wie für die Erreichung der pädagogischen und didaktischen Bildungsziele die geeigneten technisch-infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden können. Das Primat des Pädagogischen bedingt allerdings, dass die Bildungsziele klar benannt und entsprechende Umsetzungskonzepte erarbeitet sind.

Zusammenfassend hält die KMK fest: „Da die ‚Digitalisierung‘ ein dynamischer Prozess ist, dessen Geschwindigkeit weiter zunehmen wird, bedarf die vorliegende Strategie mit Blick auf Handlungsfelder und Schlussfolgerungen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Die Kultusministerkonferenz wird die anstehenden und künftigen Maßnahmen im Dialog mit allen anderen Akteuren – Bund, Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Zivilgesellschaft – begleiten und steuern sowie sich nach Auswertung des Erreichten über weitere Umsetzungsschritte verständigen“ (KMK 2017, S. 61). Wirtschaft und Wissenschaft sind also aufgefordert sich in diesen Weiterentwicklungsprozess einzubringen.

  • Bildung in der digitalen Welt gelingt nur „gesamtgesellschaftlich“ formuliert die Kultusministerkonferenz 2017. Auch Wirtschaft und Wissenschaft sind als gesellschaftliche Akteure aufgefordert sich in den Prozess einzubringen.
  • Der Fachverband Cross-Business-Architecture Lab (CBA Lab) nutzt seine Expertise, um die in Organisationen bewährte Methode zur Schaffung technisch-infrastruktureller Voraussetzungen zur Erreichung der formulierten Bildungsziele vorzustellen. 

Zur Problemstellung – die Notwendigkeit einer digital gestützten Bildungsarchitektur

So sehr die Notwendigkeit der Nutzung der Chancen der Digitalisierung unter anderem seitens der KMK gesehen und auch öffentlich diskutiert wird, so wichtig ist es gleichermaßen neben dem Bildungsauftrag nach den geeigneten technisch-infrastrukturellen Voraussetzungen für dessen erfolgreiche Einführung und Umsetzung in den Schulen zu fragen. Wie eine zukunftsgerichtete digitale Bildungsarchitektur aussehen, was sie leisten kann und welche Bereiche hierfür in den Blick zu nehmen sind, wurde bislang jedoch noch zu wenig in der notwendigen Tiefe reflektiert und diskutiert. Schließlich zeigt eine zukunftsgerichtete digitale Bildungsarchitektur die notwendigen Gesamtzusammenhänge auf und ermöglicht ein Verständnis dafür, wie die einzelnen digitalen Elemente, Bereiche und Anforderungen in der Schulbildung zusammenspielen. Entscheidend für die digitale Schule ist, die richtigen Fragen zu stellen, damit eine sinnvolle Vorgehensweise eingeschlagen werden kann, an deren Ende eine digitale Bildungsarchitektur mit den entsprechenden technisch-infrastrukturellen Komponenten steht, die die konkreten digitalen Bildungsbedarfe optimal bedient.

Wo können Anleihen gemacht werden? Wie kann die Schule bei der technisch-infrastrukturellen Umsetzung unterstützt werden? Im Organisationskontext spielt die effektive und effiziente Nutzung der IT für den Organisationserfolg bereits seit langem eine zentrale Rolle. Hierfür sind so genannte „Business Capabilities“ erforderlich, die als diejenigen Fähigkeiten verstanden werden, die Organisationen benötigen, um ihre Geschäftsmodelle erfolgreich umzusetzen. Ähnliche Fragen stellen sich auch für den Schulbetrieb. Welche spezifischen Fähigkeiten werden dort im Digitalbereich benötigt, damit eine Schule ihren Bildungsauftrag erfolgreich umsetzen kann? Welche Digitalfunktionen unterstützen konkret den schulischen Auftrag? Hierfür sind zunächst die Fähigkeiten zu klären, bevor über deren technisch-infrastrukturelle Umsetzung nachgedacht wird. Hierzu zählen unter anderem die digitalen Fähigkeiten der Vermittlung von Wissen, Vermittlung von Kompetenzen, Schulverwaltung. Diese Fähigkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie dauerhaft Bestand haben und erst dann geändert werden müssen, wenn die Ziele des Bildungsauftrags angepasst werden. Mit Blick auf eine digitale Bildungsarchitektur in Schulen sind folgende drei Kernbereiche zu fokussieren.

  • So genannte „Business Capabilities“ bezeichnen erforderliche Fähigkeiten für die erfolgreiche Umsetzung eines Geschäftsmodells. Auch für den Schulbetrieb sind zunächst diese Fähigkeiten zu klären.
  • Erst dann lässt sich daraus eine zukunftsgerichtete, digitale Bildungsarchitektur ableiten, die notwendige Gesamtzusammenhänge aufzeigt.

Die drei Architekturbereiche für die digitale Schule

In Organisationen mit einer hohen Abhängigkeit von Informationstechnologie findet häufig „Enterprise Architecture Management“ Anwendung. Mit diesem Managementansatz wird auf Basis der ermittelten digitalen Fähigkeiten die entsprechende Anwendungslandschaft mit den benötigten Funktionen konzipiert, woraus dann in einem weiteren Schritt die technisch-infrastrukturellen Voraussetzungen abgeleitet werden können. Für die folgenden drei Architekturbereiche ist jeweils eine zentrale Frage leitend, die seitens der Verantwortlichen zu beantworten ist:

 

1 | Digitale Fähigkeiten – Klärung des Was?

Zu klären ist, welche spezifischen Fähigkeiten durch die Digitalisierungsanforderungen in den einzelnen Schulen jeweils notwendig sind, um die digitale Schule erfolgreich umsetzen zu können. Die gezielte Klärung der erforderlichen digitalen Fähigkeiten für die einzelne Schule sind Voraussetzung für die Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben in der Schule. Zunächst sind also die konkreten Bedarfe an Fähigkeiten zu ermitteln und zu definieren, die von Schule zu Schule unterschiedliche Schwerpunkte haben können. Mit ihnen werden die Lücken zwischen der Schule auf der einen Seite und der Technik auf der anderen Seite geschlossen, wie beispielsweise die „digitale Vermittlung von Wissen“. (siehe Abbildung 1)

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Abbildung 1 – Beispiel digitale Fähigkeiten

2 | Anwendungsbereich und Funktionsumfang – Klärung des Wofür?

Zu klären ist, wofür die ermittelten digitalen Fähigkeiten genau benötigt werden, welche Funktionen sie mit anderen Worten im Schulbetrieb erfüllen sollen. Der Blick ist darauf zu lenken, wie und wo die ermittelten Fähigkeiten in der Schule zur Anwendung kommen sollen. Erst mit der Klärung ihres konkreten Anwendungsbereichs und des Funktionsumfangs kann die operationelle Umsetzung im technisch-infrastrukturellen Bereich erfolgen, wie beispielsweise „virtueller Unterricht“, also digitaler Distanzunterricht über Videoplattformen oder „Homeschooling“. (siehe Abbildung 2)

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Abbildung 2 – Beispiel Anwendungsbereich

3 | Technisch-infrastruktureller Bereich – Klärung des Womit?

Nach der Ermittlung der erforderlichen digitalen Fähigkeiten in der Schule und Klärung deren Anwendungsbereiche und Funktionsumfänge ist zu prüfen, entscheiden und auszugestalten, mit welcher technischen Infrastruktur die Anforderungen erfüllt werden können. Erst wenn feststeht, zu welchem digitalen Zweck etwas benötigt wird, kann entschieden werden, welche technisch-infrastrukturellen Voraussetzungen hierfür zielführend sind. Zu klären ist nunmehr also, welche Hard- und Software sowie IT-Services anzuschaffen sind, um die digitalen Fähigkeiten in der Schule operativ umzusetzen. Je nach Bedarf sieht die technische Infrastruktur dann unterschiedlich aus, wie beispielsweise eine „Webkonferenz Plattform“ für den digital geführten Unterricht. (siehe Abbildung 3)

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Abbildung 3 – Beispiel technisch-infrastruktureller Bereich

Ausgangs- und Zielpunkt für die Bildungsarchitektur

Ziel dieses gestuften Vorgehens ist es, mit Hilfe der Bildungsarchitektur zunächst die Bedarfe und Anwendungsbereiche der Schulen zu ermitteln, um darauf aufbauend die richtige Auswahl von Technologien und Produkten ableiten zu können. Ausgangspunkt ist somit die Bedarfsermittlung beziehungsweise -klärung der für die jeweilige Schule erforderlichen digitalen Fähigkeiten. Dabei sind vor allem die konkret benötigten Anwendungsbereiche in den Blick zu nehmen. Zielpunkt ist es, die geeigneten technisch-infrastrukturellen Voraussetzungen so zusammenzustellen, dass die digitalen Bedarfe möglichst optimal befriedigt und die betroffenen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern befähigt werden, die Chancen der digitalen Schule optimal für ihre Belange zu nutzen. Eine zielgerichtete Bildungsarchitektur unterstützt Schulen dabei, Digitalisierung nach ihren konkreten Bedarfen mit den geeigneten technisch-infrastrukturellen Maßnahmen im Sinne aller Beteiligten voranzubringen und die Kernaufgaben des Bildungsauftrags von Schulen beispielsweise die Wissensvermittlung wahrzunehmen.

Einheitliche integrative Bildungsarchitektur als Fundament

Damit die Bildungsarchitektur effektiv und effizient gestaltet werden kann, ist ein einheitlicher und integrativer Architekturansatz für alle Schulen zielführend. Dieser ist so zu konzipieren, dass alle Schulen mit ähnlichen technischen Infrastrukturen ausgestattet sind, den einzelnen Schulen beziehungsweise Schultypen jedoch die Möglichkeit gegeben ist, schul- und standortspezifische Aspekte zur Geltung zu bringen. Das heißt, dass nicht jede Schule für sich die drei oben beschriebenen Architekturbereiche konzipieren muss, sondern vielmehr auf eine gemeinsame digitale Bildungslandschaft aufbauen und so ihre ermittelten digitalen Fähigkeiten realisieren kann. Solch ein integrativer Ansatz vermeidet einerseits organisatorische und finanzielle Mehraufwände sowie redundante Tätigkeiten. Andererseits schafft er die Möglichkeit, weitere Bedarfe der Schulen und ermittelte digitale Fähigkeiten in die Architektur zukünftig schrittweise zu integrieren. Für die Gestaltung einer solchen digitalen integrativen Architektur sind „Digitale Bildungsarchitekten” mit sehr hoher IT- Kompetenz erforderlich. Mit ihnen können gleichartige Bedarfe und Problemstellungen verschiedener Schulen gebündelt umgesetzt bzw. gelöst werden, die dann wiederum auch allen anderen Schulen zur Verfügung stehen können.

Für die Schulen bedeutet dies konkret, dass sie sich Gedanken zur Leistungsfähigkeit der digitalen Architektur machen müssen, indem sie sich Klarheit darüber schaffen, welche Anzahl an Personen welche Fähigkeiten wie und in welchem Zusammenhang nutzen soll. Antworten hierfür sind notwendig, um die technisch-infrastrukturellen Maßnahmen bedarfsgerecht formulieren und umsetzen zu können. Eine einheitlich-integrative Bildungsarchitektur stellt daher das Fundament dar, mit der sich die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Breite des gesamten Schulbetriebs gezielt nutzen lassen.

  • Schulen müssen klären, welche digitalen Fähigkeiten für wie viele Personen in welchem Zusammenhang genutzt werden sollen. 
  • Eine einheitliche integrative Bildungsarchitektur ist effektiv und effizient. Sie bietet vielen Schulen eine gemeinsame Basis
  • Für die Architekturgestaltung bedarf es hoher IT- Kompetenzen.

Praxisbeispiele

Digitale Anwendungsbereiche, wie virtueller Distanzunterricht, digitale Kommunikation und Informationsaustausch, digitale Hausaufgaben und digitale Lehrerfortbildung, sind grundlegende technisch-infrastrukturelle Maßnahmen für eine zukunftsweisende Bewältigung der durch die Corona-Pandemie offensichtlich gewordenen Probleme bei der Umsetzung des Bildungsauftrags. Sie sind vor allem notwendig, um die zentrale Fähigkeit der Wissensvermittlung in einer modernen Gesellschaft jederzeit zu gewährleisten. Darüber hinaus bilden die genannten Anwendungsbereiche die Basis für die weitere erfolgreiche Umsetzung von digitalen Fähigkeiten im Schulbereich. Sie sind deshalb gewählt worden, weil sie zentrale Bausteine für eine digital gestützte Bildungsarchitektur darstellen. Nachfolgende Ausführungen konzentrieren sich auf die technisch-infrastrukturelle Einführung dieser Anwendungsbereiche in der schulischen Praxis – den oben ausgeführten dritten Architekturbereich des Womit.

 

1 Siehe Kultusministerkonferenz (2017): https://www.kmk.org/themen/bildung-in-der-digitalen-welt/strategie-bildung-in- der-digitalen-welt.html (abgerufen: 28.02.2021).