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30.01.2019
Das Prinzip der ZEISS-Digitalisierung: @speed, @scale
Die ZEISS AG ist Neumitglied im CBA Lab e. V. und belegt damit, dass das Sharen von Best Practices ein wichtiger Beitrag zu schnellem Knowhow-Aufbau in der Digitalisierung ist. Dr. Jürgen Klein, Chief Digital Portfolio Manager, erklärt, wie das Unternehmen mit der Digitalisierung umgeht, welche Rolle die Architektur dabei spielt und was er sich von der Mitgliedschaft im Cross-Business-Architecture Lab verspricht.
Wie lauten die Digitalisierungsziele von ZEISS?
Der gesamte Vorstand hat eine Unternehmensstrategie für die Digitalisierung und den Weg skizziert: Die Agenda 2020. Digitalisierung ist darin ein Eckpfeiler. Eine formulierte Zielvorgabe ist beispielsweise die Etablierung von digitalen Plattformen mit Unternehmens- und Marktrelevanz. Jede Sparte muss das für sich übersetzen. Die Bereiche Augenoptik, Medizintechnik, Mikroskopie oder industrielle Messtechnik spezifizieren die digitalen Strategien für ihre Produkte und operationalisieren sie. Sie sind der Treiber der Digitalisierung. Dabei arbeiten sie eng zusammen, stimmen sich über Digitalinitiativen untereinander ab und machen sie transparent. Zentrale Vorgaben für Digitalisierungsinitiativen gibt es nur begrenzt.
Viele Unternehmen versuchen in Sachen Digitalisierung von Start-ups zu lernen. ZEISS auch?
Es gibt eine Einheit bei ZEISS, die vor rund 2 Jahren gegründet und mit signifikanten Freiheitsgraden ausgestattet wurde: Die Abteilung Digital Innovation Partners in München. Das ist ein relevanter Treiber der Digitalen Transformation von ZEISS. Hier werden digitale Vorentwicklungen und Prototypen getrieben, die das Unternehmen im digitalen „go to market“ schneller machen. Diese digitalen Vorentwicklungen werden bewusst außerhalb der klassischen Linienorganisationen gemacht. Allerdings arbeitet die Einheit in enger Kooperation mit den Fachbereichen. Alle neuen geschäfts- und kundenorientierten Lösungen benötigen immer zwingend einen Product Owner aus dem Business.
Welchen Beitrag leistet dabei der Enterprise Architect?
Die Digital Innovation Partners und die Corporate IT berichten an den CIO von ZEISS. Je stärker die digitalen Produkte eine Integration in die Enterprise Backendsysteme benötigen, desto intensiver ist die Beteiligung bzw. Verantwortung der Corporate IT in das jeweilige Projekt. Gemäß unseren Prinzipien „@speed“ und „@scale“ bringt die IT-Abteilung ihre Erfahrung zu Systemskalierung und 24x7 Betrieb in die interne Partnerschaft ein. Die Rolle des Enterprise-Architekten begleitet die Projekte insbesondere in der initialen Designphase. Aber natürlich findet in agilen Projekten auch signifikantes Architektur-Design „unterwegs“ statt. Deshalb ist der Enterprise-Architekt in regelmäßigem Kontakt mit den Lösungsarchitekten der Projekte. Das erfordert in der Praxis ein kooperatives Zusammenarbeiten und große Transparenz der täglichen Projektarbeit. Als hilfreich hat sich dabei die gemeinsame Definition von Design-Prinzipien herausgestellt.
Was zeichnet ein EAM heute aus?
Es gibt zwei EAMs: Eines, das die Effizienz optimiert und eines, das Veränderungen ermöglicht und beschleunigt. Unser aktueller EAM-Fokus liegt auf der Steuerung von Veränderungen. Dazu implementieren wir das Scaled Agile Framework (SAFe). Die klassischen EAM-Methoden passen nicht mehr optimal zum agilen digitalen Transformationszeitalter. Sie müssen ergänzt und weiterentwickelt werden. Bei SAFe dagegen hat man neben kurzfristigen Sprintkomponenten auch weiterhin eine Skizze des ganzen Bauwerks. Die Architekturziele lauten hier: Kurzfristigkeit, Agilität, Tempo aufnehmen und verstärken – aber gleichzeitig darf die langfristige Perspektive auf das Thema nicht verloren gehen. Wenn man das mit dem Flug eines Flugzeugs vergliche, dann wäre das Prinzip: Soviel Sichtweite, dass man sicher starten und landen kann, es ist nicht nötig, dass während des gesamten Fluges beste Sichtbedingungen herrschen.
Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit im CBA Lab?
Wir suchen den Austausch, denn andere Unternehmen haben ähnliche Herausforderungen bei der Digitalisierung. ZEISS beispielsweise kann seine Erfahrungen in Sachen Cloud-Umgebungen, die entsprechenden Prinzipen, Strukturen und Prozesse einbringen. Wir setzen stark auf Microsoft Azure und haben viel Erfahrung in der Umsetzung von digitalen Lösungen auf dieser Plattform. Beim Thema Blockchain jedoch sind andere Unternehmen weiter. Außerdem sind wir interessiert am Austausch zu Themen wie Hybride Architekturen und Multi-Cloud-Landschaften sowie Digital-Twin-Fragestellungen und Lösungsansätzen. Alles ist ein Geben und Nehmen.
Sie sind „Digital Technology Portfolio Manager“ für die zentrale IT. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Rolle ist verwandt mit der des Enterprise Architect. Allerdings stecken mehrere Elemente in diesem Begriff: Digital Technology bezeichnet eher den fachlichen Fokus des Architektur-Auftrags. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den neuen Technologien, die im Zug der Digitalisierung in Unternehmen und auch bei ZEISS relevant sind: IoT, Blockchain, Cloud, Analytics oder RPA. Portfolio Manager bedeutet die Betrachtung eines gesamten technischen Portfolios. Dabei müssen Fragen beantwortet werden wie „Reicht der Abdeckungsgrad, um eine Digitale Transformation erfolgreich zu gestalten?“ oder „Ist es das richtige Setting von Technologien?“. Zudem hat ein Portfolio Manager eine Technologie-Radar-Funktion: Er muss Technologien schon in frühen Ausprägungen auf dem Schirm haben und sich mit ihnen auseinandersetzen – nicht nur reaktiv, sondern proaktiv. Ein Beispiel dafür ist die Blockchain, die ich in meiner Rolle als enabling technology eingebracht und damit einen Prozess gestartet habe, der Use Cases evaluiert, die für ZEISS geeignet wären, um daraus Nutzen zu generieren.
Welche Rolle spielt dabei der Governance-Aspekt?
Natürlich ist Governance wichtig, jedoch nicht so wichtig wie bei klassischen Softwarelandschaften. Bei neuen Technologien müssen wir mehr zulassen und den Entwicklern mehr Verantwortung und Freiheit übertragen, die Werkzeuge ihrer Wahl zu verwenden, um zum optimalen Ergebnis zu kommen. Das ist ein Charaktermerkmal des agilen Vorgehens. Ein Portfolio Manager hat deshalb hier eine unterstützende und beratende Funktion.
Governance spielt jedoch dort eine wichtige Rolle, wo es um Compliance und Security geht – vor allem im Cloud-Bereich mit den verschiedenen Anbietern, Lösungen und Hostern. Auch bei Data Lakes ist Governance wichtig. Hier sind unter anderem die Aspekte Datenmanagement, Datenhandling. Datensicherheit, -verfügbarkeit, -integrität oder Data Privacy zu berücksichtigen.
Welche Funktionen nimmt die zentrale IT als Service-Provider für ZEISS wahr?
Aus der zentralen IT heraus erbringen wir Services für die ZEISS Gruppe, bieten Lösungen an und übernehmen dafür Verantwortung. Ein Beispiel ist der zentrale Service „Data Lake“. Zentral deshalb, weil der Wert, der aus Daten gewonnen wird, umso größer ist, je mehr Daten integriert werden.
Auch die Integrationsfunktionen sind zentrale Services, die für die Kommunikation der digitalen Anwendungen untereinander und mit dem ZEISS-Backend – dem ERP-System – zuständig sind. Im Kern ist das eine moderne Art des Enterprise Service Bus, der auch die API-Landschaft managebar macht.
Das dritte Beispiel betrifft den zentralen Service Entitlement/-Authentisierung. Das leitet sich auch aus dem Unternehmensverständnis als ´branded house´ ab: Alle Geschäftseinheiten arbeiten unter dem Namen ZEISS. Der Kunde nimmt nur ZEISS wahr und deshalb ist es wichtig, dass er einen konsistenten Zugang zum Unternehmen hat.
Darüber hinaus haben wir beratende Funktionen für die verschiedenen Fachbereiche. Ob zentrale oder dezentrale Bereitstellung von Services hängt von der Geschäftsbereichsnähe ab. Je näher ein Dienst am eigenen Geschäft ist, desto eher wird er dezentral verfügbar gemacht. Immer dann, wenn wir uns von Zentralisierung einen signifikanten Benefit versprechen, liegt er in zentraler Hand. Auch dazu ein Beispiel: In der Corporate IT wird keine Blockchain-Lösung entstehen. Es werden nur einzelne Geschäftslösungen auf Basis von Blockchain entwickelt.
Über die ZEISS AG
ZEISS ist ein weltweit tätiger Technologiekonzern der optischen und optoelektronischen Industrie. Die ZEISS Gruppe entwickelt, produziert und vertreibt Messtechnik, Mikroskope, Medizintechnik, Brillengläser sowie Foto- und Filmobjektive, Ferngläser und Halbleiterfertigungs-Equipment. Mit seinen Lösungen bringt der Konzern die Welt der Optik weiter voran und gestaltet den technologischen Fortschritt mit. ZEISS ist in die vier Sparten Industrial Quality & Research, Medical Technology, Consumer Markets und Semiconductor Manufacturing Technology gegliedert. Die ZEISS Gruppe ist in über 40 Ländern vertreten und hat weltweit mehr als 50 Vertriebs- und Servicestandorte, über 30 Produktionsstandorte sowie rund 25 Forschungs- und Entwicklungsstandorte. Im Geschäftsjahr 2016/17 erzielte der Konzern mit rund 27.000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 5,3 Milliarden Euro. Sitz des 1846 in Jena gegründeten Unternehmens ist Oberkochen. Die Carl ZEISS AG führt die ZEISS Gruppe als strategische Management-Holding. Alleinige Eigentümerin der Gesellschaft ist die Carl-ZEISS-Stiftung.
Dieser Artikel ist in ähnlicher Form am 30.11.2018 auf cio.de erschienen:

Dr. Jürgen Klein
Chief Digital Portfolio Manager, Carl ZEISS AGWir suchen den Austausch.